Besondere Momente auf der Palliativstation
Stationsärztin Dr. Isabel Steeb erzählt von besonderen Momenten auf der Palliativstation, warum sterben nicht gleich sterben ist, wie sie mit dem Thema Abschied nehmen umgeht und der Verbindung zwischen den Maltesern und den Elisabethinen.
Wie sind Sie zur Palliativstation gekommen?
Hättest du mich vor 1,5 Jahre gefragt, hätte ich die Frage nicht so genau beantworten können. Es hat sich eins zum anderen gefügt und so war es, dass ich mich erst 2019 zur Ausbildung Geriatrie und Palliativ angemeldet habe. Zu der Zeit war mein Vater schon sehr krank. Er ist zweimal auf die Palliativstation der Elisabethinen gekommen und schlussendlich auch hier verstorben. Ich durfte ihn in dieser Zeit sehr intensiv begleiten und das Wesen der hiesigen Station kennenlernen. Diese Erfahrung hat in mir den Wunsch geweckt hier zu arbeiten. Nach Abschluss meines Turnus und der Prüfung zum Allgemeinmediziner ist im Krankenhaus der Elisabethinen eine Stelle frei geworden, die ich annehmen konnte und jetzt bin ich sehr dankbar und glücklich, dass ich hier arbeiten darf. Mich spricht vor allem das harmonische Zusammenspiel des multidisziplinären Teams und die Möglichkeit, den Menschen am Lebensende etwas Gutes zu tun, an.
Hat Sie die Krankheit Ihres Vaters von der Arbeit auf der Palliativstation nicht abgeschreckt, da sie Sie eventuell an Ihren Vater erinnert?
Gerade deswegen wollte ich hierher, ich habe mich bewusst dafür entschieden. Ich wusste ja, dass er krank ist und auch, dass er einen gewissen Weg gehen wird und ich wollte ihn in dieser guten Umgebung hier begleiten. Er hat sich wohlgefühlt, wir konnten ihn alle besuchen, meine Mutter konnte bei ihm übernachten und ich habe gesehen, wie gut es ihm tut und wie er loslassen kann. Hier auf der Palliativstation ist ein bestimmtes Lebensgefühl, eine bestimmte Einstellung spürbar. Das spürt man auch bei den Menschen, die hier arbeiten: sie widmen sich mit ganzem Herzen den Patient/innen – das ist etwas ganz Besonderes und Kostbares für mich.
Was war ein besonderer Moment für Sie?
Es haben mich schon viele Situationen berührt, obwohl ich noch nicht so lange da bin. Mein Vater hatte zum Beispiel große Angst vorm Krankenhaus und die wurde ihm hier durch seinen ersten Aufenthalt genommen. Das hat uns und vor allem ihm sehr viel gebracht. Er hat, als er hier war, am Telefon den Angehörigen erzählt wie gut es ihm geht und dass es wie in einem Hotel wäre. Er war komplett erleichtert und zufrieden. Davor wollte er aber eigentlich gar nicht herkommen. Und es gibt noch ganz viele einzigartige Momente: das bewusste Abschied nehmen mit allen Möglichkeiten die es gibt: beten, singen, streicheln, sich ankuscheln, und das ganz bewusste Wahrnehmen eines Menschen. Es gibt natürlich auch die Dankbarkeit eines Patienten oder auch der Angehörigen für kleine Gesten, Berührungen und tröstende Worte. Das Bewusstsein, Menschen Liebe und Geborgenheit zu geben die sie umhüllt und ihnen zeigt, dass sie sich nicht alleine auf den Weg machen müssen, sondern leichter gehen oder besser gesagt leichter Abschied nehmen können.
Abschied nehmen – ist das Sterben als Gesprächsthema tabu oder redenswert?
Sterben gehört ganz klar zum Leben und je mehr man sich damit beschäftigt und auch darüber spricht desto weniger Angst hat man davor. Das gilt für Patient/innen und für Angehörige,
eigentlich für alle. Ich denke es gibt ja gutes Sterben, eines, wo man begleitet und in Liebe gehen kann, wo sich viele Konflikte noch am Schluss lösen und wo man dann bereit ist loszulassen.
Wie gehen Sie mit der Arbeit auf der Palliativstation um? Es gibt ja viele Vorurteile gegenüber der Palliativstation. Hilft Ihnen der Glaube zum Verarbeiten der Geschehnisse des Tages?
Ich finde es nicht bedrückend, ich finde, dass es ein schönes Arbeiten ist, da man sehr viel Gutes tun kann und weil man auch sieht, wie erleichtert die Patient/innen manchmal sind. Nicht nur, weil man sie medizinisch gut betreut und vielleicht die Atemnot besser geworden ist und die Schmerzen weniger, sondern auch, weil die Angehörigen immer kommen können. Es ist immer eine Ansprechperson da, die Schwestern und Pflegerinnen und Pfleger, die betreuen und herauszufinden versuchen, was die Patient/innen jetzt brauchen – geistig, psychisch und körperlich.
Das Ganze, finde ich, zeigt, dass es eine fröhliche Station ist und keine traurige. Natürlich gibt es auch traurige Momente, die einen auch selber berühren, wenn ein Patient/in geht, aber trotz allem hat man das Gefühl, man macht es den Patient/innen am Lebensende noch besonders schön und man geht auch sehr auf sie ein. Zu Hause ist das oft so gar nicht möglich, weil die Angehörigen plötzlich persönlich Betroffene und Pflegende sind und damit auch überfordert sind. Durch die natürliche Distanz hat man möglicherweise eine objektivere Sichtweise, noch das eine oder andere zu erkennen, was guttun und hilfreich sein könnte. So kann man das ganze Familiensystem unterstützen – das finde ich sehr schön.
Natürlich hat der Glaube auch damit zu tun all die Geschehnisse des Tages gut zu verarbeiten. Ich habe für mich den Satz geprägt „dass der Glaube dem Tod den Schrecken nimmt, der Schmerz aber bleibt“. Das heißt, dass der Glaube an das Gute, an die große Geborgenheit eines liebenden Gottes, beim Loslassen und beim Verarbeiten und auch bei der Unterstützung der eigenen Bewältigung der unterschiedlichsten Situationen hilft. Daher ist auch das multidisziplinäre Team so wichtig, in dem es eine Seelsorgerin gibt, die sowohl Patient/innen, Angehörige und auch alle die hier arbeiten begleitet. Das ist sehr tröstlich, da es Gespräche auf den unterschiedlichsten
Ebenen geben kann –der medizinischen, der psychologischen, auf der seelischen usw. Ich glaube es werden viele Bereiche abgedeckt und die helfen einem auch selbst bei der eigenen Psychohygiene.
Die Malteser und die Elisabethinen – wie ähnlich sind sie sich?
Die Malteser, also der Maltester-Hospitaldienst, ist ein Hilfswerk des Souveränen Malteser-Ritterordens. Es ist der älteste katholische Laihenorden. Er wurde im 11. Jahrhundert in Jerusalem gegründet und hat dort ein Hospital betrieben, welches für Pilger und für Kranke jeglichen Glaubens zugängig war. Die Maltester sind eine international anerkannte Rettungsorganisation die auch international tätig ist, die aber vor allem auch alte, kranke und behinderte Menschen betreut, für sie Ausflüge, Theaterbesuche oder andere Aktivitäten organisiert und auch jährlich eine Pilgerreise nach Lourdes und alle 5 Jahre eine Pilgerreise nach Rom veranstaltet. Das Hauptaugenmerk der Elisabethinen ist die Betreuung von kranken Menschen im Akutspital und von alten Menschen im Betreuten Wohnen. In der heutigen Zeit ist die Vernetzung der Orden und die gegenseitige Unterstützung sehr wichtig. Die Malteser haben zum Beispiel ihre Bereichszentrale auf dem Gelände der Elisabethinen. Seit 7 Jahren betreuen die Malteser die Bewohner/innen im Betreuten Wohnen am Wochenende zu Mittag, es gibt einen gemeinsames Mittagessen, mit Gebet, Gesang und persönlichem Austausch. An manchen Wocheneden haben ganze Familien diesen Dienst versehen und der Kontakt zu Kindern hat die älteren Herrschaften natürlich besonders gefreut. Es war ein gegenseitiges Wertschätzen und eine schöne Zeit. In Wien wird zum Beispiel gerade das Malteser Ordenshaus in der Landstraße gebaut. Das ist eine Seniorenresidenz, die in unmittelbarer Nähe des Franziskusspital der Elisabethinen liegt. Die Elisabethinen betreiben dort ein auf Innere Medizin spezialisiertes Spital, mit einer Akutgeriatrie und eine Palliativstation und haben somit den Schwerpunkt auf den älteren Menschen gelegt und so gibt es dort auch eine Kooperation zwischen Maltesern und Elisabethinen.
Beide Orden kümmern sich vor allem um alte und kranke Menschen und haben das auch in ihren Leitsprüchen verankert, die Elisabethinen in ihrem Leitspruch „Schau hin und handle“ und die Maltester in „Tuitio fidei et obsequium pauperum“, das heißt übersetzt „Bezeugung des Glaubens und Hilfe den Bedürftigen“. Zusätzlich haben die Malteser in ihrem 8-spitzigen Kreuz die 8 Elende symbolisiert: Krankheit, Hunger, Schuld, Unglaube, Heimatlosigkeit, Verlassenheit, Gleichgültigkeit und Lieblosigkeit. Der Glaube und die Religiosität spielen in beiden Orden eine große Rolle im Tun und Denken und geben Rückhalt – das verbindet die Maltester und die Elisabethinen geradezu ideal.
Resümee
Die Palliativstation ist keine Endstation. Die Patient/innen gehen von hier auch wieder nach Hause oder in ein Hospiz, es versterben nicht alle Patient/innen hier. Auf der Palliativstation, versuchen wir uns ganzheitlich um den Menschen zu kümmern und ihm Zeit zu schenken, im medizinischen, im physischen, im psychischen und im seelischen Bereich. Wir versuchen die Menschen am Lebensende optimal zu versorgen, ihre Symptome zu lindern, ihnen eine möglichst hohe Lebensqualität zu ermöglichen und sie bei ihren letzten Wünschen zu unterstützen. Die Palliativstation ist eine Station im Akutkrankenhaus bei der eigentlich eine gewisse Zeit des Bleibens vorgesehen ist, das sind meistens 2-3 Wochen. In diesen 2-3 Wochen versucht man die Wünsche der Patient/innen herauszufinden, die Patient/innen zu stabilisieren und Symptome zu lindern. Dann geht es um die Weiterversorgung zB mit einer 24-Stundenpflege zu Hause oder in einem Hospiz. In unserem Hospiz St. Elisabeth gibt es wöchentlich eine ärztliche Visite und diplomiertes Pflegepersonal rund um die Uhr. Es hat mehr einen häuslichen Charakter, vielleicht auch mehr Ruhe. Es können auch jederzeit Besuche empfangen werden und es gibt die Möglichkeit das Angehörige bei den Bewohner/innen übernachten.